Bericht in der Nürnberger Zeitung (NZ) vom 20.07.2002:

In Neustadt/Aisch lebt der Streit um den Weiterbau der Umgehungsstraße auf

Stadt im Würgegriff des Verkehrs

Von unserem Redaktionsmitglied ROLF SYRIGOS

NEUSTADT/Aisch (NZ). -Knapp zehn Jahre nach Fertigstellung der innerörtlichen Umgehungsstraße für die dicht befahrenen Bundesstraßen 8 und 470 ist in der Kreisstadt an der engsten Stelle des Aischtals der Friede erneut dahin. Schuld daran ist einmal mehr die Umgehung und die Pläne des Straßenbauamts Ansbach zu ihrer Erweiterung.
Sie wurden 1985/86 entworfen und 1998 vom Stadtrat befürwortet. Jetzt sollen sie realisiert werden: Die Westspange soll die bestehende Hauptverkehrsader B470 am Rand der Altstadt mit einem riesigen Damm über die Hochwasser-Rückzugsflächen der Aischwiesen hinweg mit der B 8 im Nordwesten der Stadt verbinden. Innerstädtische Wohnviertel sollen so vom anwachsenden Verkehr befreit werden.
Dies ruft jetzt abermals Befürworter und Gegner des Projekts auf den Plan, auch wenn es zumindest den Befürwortern der Westspange längst nicht mehr um den Schutz der Natur geht. Hier steht die Lebensqualität der Anrainer im Vordergrund, die durch Lärm und Abgase stark beeinträchtigt wird. Vor allem die Burger im Stadtteil Riedfeld an der alten B8 pochen auf Realisierung der alten Schubladenpläne. Sie waren mangels Geld und wegen des geharnischten Protests schon vor zehn Jahren vertagt worden.

Gravierende Mängel
Bürger und Straßenplaner gleichermaßen müssen jetzt erkennen, dass das damals gebaute Asphaltband planerisch eine ziemliche Fehlkonstruktion ist: Der "Dollinger-Highway", wie die gut 2,6 Kilometer lange Straße von ihren Gegnern einst getauft wurde, weil der ehemalige Bundesverkehrsminiter und heutige Ehrenbürger der Stadt ihr Zustandekommen maßgeblich befördert hatte, hat drei gravierende Mängel:
- Die Umgehung liegt zu nah am Stadtzentrum und sorgt daher für zusätzlichen Lärm;
- sie ist überlastet, weil mittlerweile die B470 in Ost/West-Richtung zur Mini-Autobahn zwischen der A7 und der A73 avanciert ist und
- sie ist durch Kurzstrecken-Fahrten total verstopft, weil es fünf ampelgeregelte Kreuzungen gibt, an denen der Lokalverkehr die durchrollende Blechkarawane bremst.

Vergebliche Mahnungen
Das aber war alles schon vor zehn Jahren bekannt und damals Gegenstand heftiger Diskussionen. Doch weder Straßenplaner noch Stadtväter oder Bürger wollten in den 80er Jahren die mahnenden Rufer in der Verkehrswüste wie etwa den Bund Naturschutz hören. Damals ging es primär darum, den Durchgangsverkehr aus dem Stadtzentrum zu drängen.Das ist gelungen und der autofreie Marktplatz ist mittlerweile anerkannter und geschätzter Mittelpunkt des urbanen Lebens, auch wenn der Einzelhandel sinkende Umsätze weiterhin gern mit fehlenden Autos und Parkplätzen im Zentrum begründet. Der gestiegenen Lebensqualität im Stadtzentrum stehen tendenziell sinkende Wohlfühl-Werte an den Stadträndern speziell im Norden und im Süden des Zentrums entgegen. Hier zahlen die Anwohner den Tribut dafür, dass ihre Ur-Väter vor mehr als 1200 Jahren ausgerechnet die engste Stelle des Aischtales nutzten, um ihre Siedlung Riedfeld, die Keimzelle der Stadt, zu errichten. Just dieser Stadtteil ist es nun, der vom abbiegenden Durchgangsverkehr B8/B470 und lokalem Einkaufsverkehr überrollt wird.

Autos im Dauer-Stau
In keinem Fall gibt es eine Möglichkeit, aus dem Verkehrsdilemma im engen Talgrund herauszukommen. Schuld daran ist neben der Ortswahl der Urväter auch die planlose Bauwut der Stadtväter in den Nachkriegsjahren. Die dabei entstandene Siedlungsstruktur macht die menschengerechter Stadt zur Illusion, weil die Planer weiter den Autoverkehr statt den Menschen ins Zentrum ihrer Überlegungen stellen, beklagen Kritiker des Projekts.
"Weise" Strategen hatten schon in den 70er Jahren das Heil der Stadt darin gesehen, die ungeliebte Autoflut zu ihren Nachbarn umzuleiten. Etwa dadurch, dass talabwärts im Nachbarort Diespeck ein mächtiger Betonriegel eine Fern-Umgehung Neustadts durch den bis heute nahezu unberührten Ehe-Grund leiten und bei Langenfeld mit der bestehenden B8 verbinden sollte. Damals wie heute ist das Vorhaben ebenso unsinnig wie undurchführbar.
Unsinnig, weil längst die B470 die B8 in puncto Verkehrsaufkommen überholt hat. Undurchführbar, weil die Landbewohner in den stillen Winkeln am Rand des Aischtals sich vehement dagegen wehren, Lärm und Dreck des Autoverkehrs abgeladen zu bekommen, damit die Städter ihre Ruhe haben. Reinhold Kestler, Bürgermeister im betroffenen Baudenbach etwa, weist derartige Hirngespinste in der Lokalzeitung scharf zurück.
Das Sankt-Florians-Prinzip spaltet nicht nur die Bürger, auch das Lager der Politik ist angesichts des andauernden Dilemmas mit der Umgehung gespalten. Obwohl sich einige Gemeinden erst jüngst zur "Entwicklungsachse Aischtal" zusammen geschlossen haben,. sind die Chancen eher gering, dass die Politikerin dieser heiklen Angelegenheit den Stein der Weisen finden. Anders als ihr Amtsvorgänger Wolfgang Mück (SPD) hatte Neustadts neue Bürgermeisterin Claudia Platzöder (CSU) im Wahlkampf noch erklärt, dass sie die Westspange nicht befürworte.

Behörde informiert
Positionen Pro und Contra werden am Montag Abend wohl unversöhnlich aufeinander prallen, wenn das Straßenbauamt Ansbach zu einer Informationsveranstaltung vor Ort lädt. Gewiss ist dabei wohl nur eines: Wie überall wird mangels Verkehrspolitik in diesem Land der Verkehr weiter zunehmen -und mit ihm das Dilemma Umgehungsstraße im Tal der Aisch.